Neue Zuger Zeitung 16.9.2014
zentral+
«Der Viertausender am Zugersee», Artikel vom 15.8.2014:
«Es gibt keinen Zuger Kulturkuchen» – Jacqueline Falk im Interview, Artikel vom 28.7.2014:
«Kunst von Stadtrats Gnaden», Artikel vom 20.8.2014:
Neue Zuger Zeitung 7.8.2014
Fotos gesucht!
Stadtmagazin Ausgabe 9
Rede von Max Huwyler an der Vernissage vom 16.8.2014
Kultur Stadt Zug :„Herrliche Zeiten“ Eine Rede von Max Huwyler zur Eröffnung der Ausstellung, 16. August 2014 im Siehbach
Sehr verehrte Besucher und Besucherinnen. Sehr geachtete Künstler und Künstlerinnen. Seien sie gegrüsst in Zug
Gruss aus Zug, Postkarte > Postkarte zeigen
Zuger Kirsch und seine Torte
sind Erzeugnisse bester Sorte.
Ein Leckerbissen, fein und gut,
alles Gute kommt aus Zug.
Dass ‚gut’ und ‚Zug’ nicht sauber zusammenreimen, diese raffinierte Ironisierung hätte ich den Postkarten-Editoren nicht zugetraut. - Root und rund zwöi Chriesi druff.
Das ist nun die süsse Frucht der cerisomanischen Weltsicht.
In der letzten Aussenausstellung von Zug Kultur setzte ein Künstler ein Bauprofil in die Katastrofenbucht. Kurzblicker waren empört. „Spinnid die!“. Wussten vielleicht nicht, dass da einmal Häuser absoffen und Leute ertranken. Und jetzt kommt er mit Einwortpoesie, stellt HOLLYWOOD an den einzigen nicht überbauten Hügel der Stadt. Am besten zu sehen vom Eckhaus an der Zeughausgasse 1, wo einst eine Bäckerei war und jetzt ein Laden ist, der sich ‚harmorama’ nennt und ‚harmonisch leben - natürlich wohlfühlen’ verspricht mit Streicheltieren, Herzkissen und aufgehängten Engelein.
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In Zug im Zugerland
Ackerland, Wiesland, Weideland
Nutzland, Bauland
O mein Heimatland
Kolinplatz, Postplatz, Hirschenplatz, Landsgemeindeplatz
Bahnhofplatz, Arenaplatz, Fussballplatz, Spielplatz,
Bauplatz, Parkplatz
O mein Heimatplatzt
Ammannsmatt, Riedmatt, Löbernmatt, Rostmatt,
Frauensteinmatt
Alles überbaut
Schachmatt
Pickwick Pub im Zugerhoof
Dragon Palace
Hotel Quality Swiss
City Garden
Lake Side for business and living
Park Tower,
UPTOWN
Hochhuus Obschtverband
Siehbachsaal im Armehuus - Doo simmer.
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„Herrliche Zeiten“
Boomzeit ist hier nicht neu. Als die Eidgenossen, Zug war dabei, in den Burgunderkriegen um 1480 herum den kapitalstärksten Europäer schlugen, machten sie fremdgeholtes Geld wie Heu. Das löste einen Bauboom aus. Sie erweiterten das Stadtgebiet um das Siebenfache, bauten Grossbauten: Sankt Oswald, Kornhaus, ein Spittel, Hotel Ochsen. Sie zogen zur Wohlstandssicherung eine Stadtbefestigung hoch mit Mauern und Wehrtürmen. Die Bauten halten bis heute, über 500 Jahre.
Im Katalog zu „Herrliche Zeiten“ steht zum Werk L „Zart singen die Betonmischer“: „Das Durchschnittsalter eines zugerischen Gebäudes liegt bei etwa 60 Jahren.“ Ende Zitat. Zu meiner Lebzeit steht an der Vorstadt das dritte „Rössli“. Ich bin nicht 180. Heisst jetzt aus unergründlichen Gründen „Kaiser Franz“; und die Rössliwiese hiesse korrekt „Kaiser-Franz-Anger“. Dort kann man sich jetzt in Unschuld duschen lassen von der „Light Shower“.
Gedichte Mundart öppis isch immer ab S.51
Sunnenundergang 51, uussicht 54, bodejodel 61,
boubuum 65, zuger jass 66, konjunktur 64
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Zitat: „Der demagogische Ruf linker Parteien nach Steuererhöhung ertönt bis in die verwinkelten Gassen unserer malerischen Altstadt.“ Leserbrief, „Zuger Presse“ dieser Woche. Lauschen Sie dann den dräuenden Tönen, wenn Sie in der malerischen Altstadt in Ruhe das luftige Gehänge von „habitus“ beschauen.
Wenn wir schon bei politischen Botschaften sind: Ein Grossplakat mit fünf stadtregierungswilligen Männern drauf hat eine deutliche Botschaft: „Frauen, wählt Frauen!“ Die ins Bild gesetzte versteckte Ironie passt bestens in „Herrliche Zeiten“.
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Jetzt zur Kunst
Ich komme Ihnen mit einer kleinen Geschichte zu einem Gesamtkunstwerk, in der es um Architektur geht und Geschäftssinn, um Kunst, Ehrgeiz und Nachruhm. Vernommen habe ich sie in Palmyra, der einst wohlhabenden Oasenstadt an einer Karawanenstrasse in der syrischen Wüste.
Es ist die Geschichte jener drei angesehenen Brüder, die als Bauunternehmer ein wohl-proportioniertes, einige Feierlichkeit ausstrahlendes Rundgebäude mit Kuppelgewölbe erbauen liessen mit über hundert neben- und übereinander geordneten Grabkammern. Zu vermieten je auf hundert Jahre an wohlhabende Stadtbürger, gegen Vorauszahlung vorsichtshalber. Mit der weitsichtigen Innovation sicherten sie sich ein gutes Dasein und hatten Aussicht auf ein ruhmreiches Nachleben. Denn die drei Brüder waren voraus-schauend genug, sich zwischen Grabhöhlen in Stein abbilden zu lassen, sodass noch nach über 2000 Jahren Reiseführer müden Touristen erklären können: „These are the famous tombs of the three famous brothers from Palmyra.“ Der Name des Künstlers, der die drei Portraitköpfe in Stein gehauen hat, ist nicht bekannt. Künstlerpech.
Es ist ein Anspruch der Künstler, Bleibendes zu schaffen, das vielleicht für 2000 Jahre hält. Kunst machen auf Zeit: Das ist eine Provokation. Die Kunstschaffenden von „Herrliche Zeiten“ lassen sich auf ein Kunstprojekt ein, das das Verschwinden der Werke im Programm hat. Dieses Projekt ist angeregt und angestossen von der öffentlichen Hand, der politischen Instanz. Das ist nicht selbstverständlich. Kunst und Politik gehen nicht immer zusammen. Politik muss. Kunst muss nicht. Sie darf und soll das Unmögliche. Politiker mit visionärem Blick, mit Blick über das Wieder-gewähltwerden hinaus, haben es nicht leicht.
Der Beruf des Künstlers aber ist es, Visionen sichtbar zu machen und damit lesbar.
Gedichte zu gelesenen Kunstwerken >mitunter überleben > ab S. 44
>l’homme qui marche sous la pluie S 44
ein happen schmalz 45 haiku 48
hang zum gesamten 49 weimar 54
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Beim Lesen von Kunstwerken machen wir das Nebeneinander des Werkes zu einem Nacheinander des Anschauens. Bildwerke haben keinen Ablauf. Ihre Stärke ist das Dasein. Kunstwerke muss man nicht verstehen. Man muss sie einfach anschauen, inventarisieren, unter den vielen ausgestellten eines auswählen, auswendig lernen. Sie setzen sich dann in der Vorstadt auf eine Bank vor eine der „Sichtschutzwände“ und denken das auswendiggelernte Bild auf die Wand. Dann sehen Sie vielleicht mehr als einen Sonnenuntergang, den sie nicht sehen. Wegen dem Brett vor dem Kopf.
Vielleicht schreiben Sie ein paar Zeilen, auf eine Postkarte zum Beispiel. „Liebe Lina. Stell dir vor, da haben sie das Matterhorn gemacht. Direkt vor Eiger Mönch und Jungfrau. Nur die Spitze vom Matterhorn. Die restlichen 4000 m sind im Boden drin. Dort hat sie der Künstler versteckt. Komm, schau dir das an. Nachher gibt’s Kirschtorte.“ - Dem ist beizufügen, dass der Rest des Matterhorns am Alpenquai unten erhalten bleibt, solange sich jemand daran erinnert. Mit dem Fotografieren kommen Sie dem Untergründigen nicht bei.
Die meisten Bildwerke sind statisch. Sind sie maschinenbetrieben, dann machen sie Geräusch, Lärm und Musik. Wie in „Zart singen die Betonmischer“.
Zum Kunstwerkanschauen eine Szene im Tingueli-Museum in Basel:
Mutter und Kind vor dem gewaltigen Eisending. Der Bub tritt auf den roten Knopf, und jetzt geht’s los mit Drehen und Ziehen uns Stossen, Heben und Kippen und Wirbeln für ein paar Minuten. Dann stoppen die Motoren. Das Ding steht still.
„Mami, s isch fertig. Chumm, mer gönd.“
Wie wenn Kunst nur Kunst wäre, wenn etwas läuft.
Also, nehmen Sie sich Zeit zum Entdecken. Nehmen Sie Papier und Bleistift mit.
Max Huwyler
16. August 2014